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Risiken bei internationalen Projektversicherungen

Via Risknet • Roland Gerds • 20.05.2016
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Die wachsende Globalisierung erfordert die Beachtung und Einhaltung von Gesetzen, Richtlinien und Rechtsprechungen im Rahmen der internationalen Geschäftstätigkeit. Im Kern geht es darum "compliant" zu sein. Nur ein Teil der mittelständischen Unternehmen sind jedoch für die Erfüllung dieser komplexen Aufgabe adäquat aufgestellt.

Bei Projekten steht allgemein die termingerechte Fertigstellung oder Übergabe im Fokus, denn Verzögerungen können hohe finanzielle Auswirkungen auf alle beteiligten Parteien haben. Sie können unter anderen Bauherren zu unvorhersehbaren Verlusten im geplanten Betriebsergebnis oder bei Unternehmen zu Zahlungen von Vertragsstrafen führen bis hin zu Forderungsausfällen beim Investor. Ein zentralgesteuertes umfassendes Risikomanagement über alle Risikobereiche hinweg kann präventiv zur Risikominderung beziehungsweise -vermeidung beitragen, jedoch hat die Vermeidung von Verzögerungen Priorität, unabhängig vom Risiko.

Die wesentlichen Risiken im Überblick

Naturgefahren: Sie haben einen großen Anteil an Projektrisiken, sind kaum beherrschbar oder detailliert berechenbar. Wenn sie eintreten, sind die Auswirkungen nicht selten verheerend. Ein steigender Trend bei Anzahl und Ausmaß ist weltweit zu verzeichnen. Auslöser ist oft der globale Klimawandel, wobei die Gefahren geographisch variieren und innerhalb eines Jahres verändert einwirken (Hurrikan-Saison, Monsun). Daher ist bei der Risikobetrachtung die Projektlaufzeit entsprechend zu berücksichtigen.

Die Vulnerabilität hilft, mögliche Risiken zu quantifizieren. Sie umschreibt den potenziellen Schaden aufgrund eines möglichen Schadenereignisses innerhalb eines bestimmten Gebietes und Zeitraumes unter Zuhilfenahme von objekt- und prozessspezifischen Vulnerabilitätsfaktoren, indem ein funktioneller Zusammenhang zwischen den einwirkenden Kräften eines bestimmten Naturprozesses und der daraus resultierenden Auswirkung auf betroffene Objekte hergestellt wird. Weitere Abhängigkeiten sind die Art des Objektes (Berücksichtigung verschiedener Parameter, wie Zustand, Schutzmaßnahmen beziehungsweise Baumaterialien und Bauweise/-technik) sowie Faktoren für die Intensität des Ereignisses (Druck, Geschwindigkeit etc.) und der resultierenden Auswirkung auf das Objekt (beispielsweise Grad der Zerstörung beziehungsweise Beschädigung).

Bei einer gesamtheitlichen Schadensbewertung sind neben den direkten auch die indirekten Schäden (Folgeschäden) einzubeziehen. Letztere zu bewerten stellt aufgrund der oft zeitverzögerten und längerfristigen Auswirkung eine große Herausforderung in der Praxis dar.
Schäden und deren negative Auswirkungen sind von einer großen Anzahl von Einflüssen abhängig, die jedoch subjektiv verschieden empfunden werden. Die Beurteilung negativer Auswirkungen ist vom menschlichen Wertesystem abhängig und daher komplex. Eine objektive, quantifizierbare Festlegung des Risikos gibt es nicht. Unter Berücksichtigung von Vulnerabilitätsfaktoren lässt sich das Risiko formelmäßig korrekt beschreiben als: Rso = f(pso, AOo, POo,ss, VOo,ss)

  • Rso = RISIKO

  • pso = Eintrittswahrscheinlichkeit vom Schadenereignis s

  • AOo = Wert des Objektes o

  • POo,ss = Präsenzwahrscheinlichkeit vom Objekt o gegenüber Schadenereignis s

  • VOo,ss = Vulnerabilität von Objekt o in Abhängigkeit vom Schadenereignis s

    Diese Gleichung zeigt auf, dass die mögliche Reduzierung des Risikos sowohl auf der einwirkenden Seite der Naturgefahren als auch auf der Seite von potenziell betroffenen und schadenempfindlichen Objekten vorgenommen werden kann. Wer diese Prüfung und Verifizierung einer möglichen Reduzierung innerhalb aller Projektbeteiligten durchführt, sollte möglichst früh von der Projektsteuerung festgelegt werden.

    Eine weitere Schadensreduzierung kann durch Versicherungslösungen umgesetzt werden, wenn der Versicherer als Partner präventiv durch entsprechendes Know-how unterstützen kann, beispielsweise aus dem Bereich Risk-Engineering.

    Ferner sollten im Vorfeld der Projektierung vorhandene lokale Datenbanken zur Unterstützung bei der Risikoeinschätzung herangezogen werden (in Deutschland zum Beispiel der "Kompass Naturgefahren / ZÜRS - Zonierungssystem für Überschwemmung, Rückstau und Starkregen"). Landesspezifische Informationen sind bei den entsprechenden lokalen Stellen zu erfragen. Auch Rückversicherer haben entsprechende Informationen, um etwaige Kumulrisiken zu erfassen. So ist eine deutliche Risikominimierung möglich.

    Geologische Risiken: Ein nicht zu vernachlässigender Risikofaktor mit potenziell katastrophalen Folgen, speziell bei "Greenfield-Projekten", liegt in falschen, unterschätzten oder falsch interpretierten Untersuchungsergebnissen. Die Geologie umfasst Bereiche wie Stratigraphie, Geophysik, Plattentektonik, Strukturgeologie und Geomorphologie. Folglich sind entsprechende Untersuchungsergebnisse immer in Relation zum entsprechenden Projekt sowie der Laufzeit zu bewerten. Hier sind bereits dokumentierte oder vorhandene Erfahrungen unerlässlich, um zuverlässige Einschätzungen abgeben und präventive Maßnahmen zur Risikominderung ableiten zu können.

    Gerade bei neuen Technologien – wie geothermale Energieerzeugung oder Fracking – sind besondere Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen, um negative Auswirkungen und Schäden zu verhindern oder zu minimieren. Bei Projekten aus dem Bereich der geothermalen Energieerzeugung kam es beispielsweise wegen Hebungen durch das Quellen von Tonsteinen beziehungsweise durch Mineralumwandlungen in anhydrit- und pyritführenden Gesteinen zu extremen Schäden.

    Entsprechende Datenbanken sind bei den zuständigen Ämtern in Deutschland vorhanden. Ergänzt durch eigene Erprobungen lassen sich Risiken gut abschätzen. Inwieweit solche Informationen in andern Ländern vorhanden sind und mit welcher qualitativen Aussagekraft diese verbunden sind, lässt sich nur mit entsprechenden Fachkompetenzen bewerten. Daher sind Aufwendungen für Präventivmaßnahmen in diesem Bereich deutlich kostenintensiver. Versicherungen können ebenfalls präventiv zu Rate gezogen werden um gemeinsam Maßnahmen und Risikoabsicherungsmöglichkeiten zu erörtern.

    Kommunikationsrisiken: Bei großen Projekten im Anlagenbau (beispielsweise Kraftwerke oder chemische Anlagen) sind sprachliche Herausforderungen alltäglich. Bei der Projektumsetzung können zu Spitzenzeiten weit über 2.000 Personen auf einer Baustelle gleichzeitig tätig sein. Neben allgemeinen Herausforderungen wie Unterbringung und Verpflegung ist die sprachliche Komponente eine der größten Fehlerquellen für alle Beteiligten. Auch die unterschiedlichen gebräuchlichen Maßsysteme der Mitarbeiter (metrisch-/angloamerikanisches Maßsystem) bergen extreme Risiken. Ferner ist das unterschiedliche Verständnis und Wissen über lokale Arbeitssicherheitsvorschriften nicht zu vernachlässigen; diese Vorschriften und Hinweise sind neben der jeweiligen Landessprache auch in anderen Sprachen entsprechend umfangreich vorzuhalten. Das gilt analog für Schulungen oder Unterweisungen, um Sprach- und Kommunikationsrisiken zu reduzieren.

    Da kein internationaler Standard im gewerblichen Bereich für benötigte Qualifikationen existiert, ist man von landesspezifischen Ausbildungen und Regelungen abhängig.

    Auch die Rekrutierung geschulten Fachpersonals kann eine Herausforderung darstellen, wenn zeitgleich ähnliche Großprojekte umgesetzt werden. Dies führt ggf. zu Verzögerungen im Projektablauf oder überzogenen Nachqualifizierungen mit bewusst akzeptierter Qualitätsreduktion. Das kann sich auf die vertraglichen Parameter nachhaltig auswirken. Bei solchen Projekten wird daher eine jeweilige "qualifizierte Probearbeit" von jedem Arbeiter abgefordert, um seine Qualifikationen zu verifizieren und Risiken aus diesem Bereich zu minimieren.

    Interkulturelle Risiken: Bei internationalen Großprojekte wird Führungskräften einiges abverlangt. Die schrittweise Gewinnung eines kulturellen Kompetenzgefühls aller Beteiligter setzt das Wissen um Ursachen, Mechanismen und Konsequenzen von interkulturellen Konflikten im Arbeitsleben, aber auch persönliche Eigenschaften wie Offenheit und die wertschätzende Haltung gegen alle Kulturen voraus. Wichtige Bereiche wie Rituale, Werte und Handlungsabläufe sind nicht zu unterschätzen. Interkulturelle Konflikte gelten als besonders komplex und schwierig.

    Oft werden sie als solche nicht erkannt, sondern Rückschlüsse auf Persönlichkeit und Charakter gezogen oder als intendierte Provokation gegen das Gegenüber wahrgenommen. Deshalb kann ein unangemessener Umgang mit ihnen destruktiv sein und die zwischenmenschlichen Beziehungen der Projektbeteiligten beeinträchtigen bis hin zum ethnischen Mobbing. Dies wiederum kann zu Unzufriedenheit der Belegschaft führen und eine zusätzliche Belastung ergeben. Dass Arbeitsunzufriedenheit zu Leistungsrückgang führt, ist keine neue Erkenntnis. Gerade ethnisches Mobbing am Arbeitsplatz wird häufig zu lange ignoriert, das Austragen und Beilegen von Konflikten tabuisiert. Ein Eingreifen erfolgt oftmals erst, wenn die Situation eskaliert ist, und damit zu spät. Konkrete Folgen sind aus personalwirtschaftlicher Sicht suboptimale Nutzung der Human-Ressourcen, sinkende Motivation, Innovation und Produktivität der gemobbten Personengruppe, höhere Abwesenheits-, Krankheits- und Fehlerrate sowie die Zunahme von Konflikten. Nur durch gezielte Schulung und Sensibilisierung kann das Risiko verringert werden. Auch einfache technische Hilfsmittel, beispielsweise ein "Mekkakompass" oder das Vorhalten von "hybriden Medikamenten" können sich entsprechend risikominimierend auswirken.

    Politische Risiken: Unter dem Begriff "politisches Risiko" sind alle Gefährdungen eines Auslandsprojektes zu verstehen, die ihren Ursprung in den politischen Gegebenheiten des Investitionslandes oder in der staatlichen Beeinflussung des Wirtschaftslebens haben. Das können unter anderem erhebliche Verzögerungen bei Überweisungen von Darlehensraten, Gewinnen und Zinsen oder sogar komplette Konvertierungs- und Zahlungsverbote sein. Darüber hinaus zählen hoheitliche Maßnahmen, wie Verstaatlichung und Enteignung oder gewaltsame Auseinandersetzungen, wie Krieg oder Revolution, zu den politischen Risiken. Die Umschwünge in den Ländern des "Arabischen Frühlings" haben es veranschaulicht. Auch können schlichte gesetzliche Veränderungen, etwa eine Änderung der Einspeisevergütung von regenerativen Energieprojekten, Projekte finanziell nicht mehr tragbar machen.

    Deutsche Unternehmen investieren in erheblichem Umfang im Ausland zur Generierung von Standortvorteilen oder sie sind dort temporär beziehungsweise projektbezogen tätig. Die Rahmenbedingungen können jedoch im Vergleich zu den in Deutschland bekannten stark abweichen. Das gilt für kulturelle und wirtschaftliche Aspekte ebenso wie für rechtliche und politische Faktoren. Ein Auslandsengagement erfordert besondere Aufmerksamkeit, um existentielle Risiken insgesamt zu vermeiden. Insbesondere schwer vorhersehbare politische Risiken stellen an das Risikomanagement vieler Unternehmen eine extrem große Herausforderung. Mittlerweile ist deshalb für viele Unternehmen internes Risikomanagement ein integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie. Ausgehend von einer klar formulierten Risikostrategie werden mögliche Risiken in vielen Organisationen systematisch identifiziert, bewertet, gesteuert und überwacht.

    Trotz eines hervorragend aufgestellten Risikomanagements stoßen viele Unternehmen bei internationalen Tätigkeiten jedoch oft an Grenzen. Politische und rechtliche Entwicklungen, die im Heimmarkt in ihren Auswirkungen aufgrund von Erfahrungswerten quantifizierbar und kalkulierbar sind, können im Ausland zu schwer einschätzbaren Unwägbarkeiten werden. Herausforderungen im Umgang mit lokalen Partnern, beispielsweise in Unterschieden in Kultur und Mentalität begründet, vermögen zusätzliche Probleme bei einem Auslandsengagement hervorzurufen.

    Während wirtschaftliche Risiken meist besser einschätzbar sind, können vor allem die Folgen von politischen Risiken bei langfristigen Auslandsprojekten oder Auslandsengagements von Unternehmen nur schwer vorhergesehen werden. Nicht zuletzt durch Anforderungen der Gesetzgeber (beispielsweise im Aktiengesetz bzw. Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich/KonTraG oder GmbH-Gesetz), sind viele Unternehmen auf die Frage des Umgangs mit politischen Risiken aufmerksam geworden. Das KonTraG soll sicherstellen, dass in Unternehmen Strukturen geschaffen werden, die den Entscheidungsträgern potenzielle Risiken präventiv aufzeigen, um diese möglichst frühzeitig zu quantifizieren und geeignete Maßnahmen einleiten zu können. Falls konkrete Herausforderungen auftreten, soll eine rechtzeitige und angemessene Reaktion ermöglicht werden und somit etwaige Verluste begrenzt oder gar verhindert werden.

    Effektive und systematische Strukturen für den Umgang mit politischen Risiken sind als integraler Bestandteil des Risikomanagementprozesses in vielen international tätigen Unternehmen aktuell nicht vorhanden. Eine entsprechende Identifizierung und Bewertung sowie ein Reporting und eine Steuerung sind daher sehr schwer umsetzbar. Folglich sollte das Management politischer Risiken eine wichtigere Rolle in aktuellen Risikomanagementsystemen einnehmen, weil sie sich katastrophal auf das Unternehmensergebnis auswirken können. Sie zu managen, heißt negative finanzielle Überraschungen zu vermeiden beziehungsweise zu minimieren. Hierfür werden international Lösungen der Versicherungswirtshaft angeboten.

    Vertragliche, rechtliche und regulatorische Risiken: Während der Projektphase können sich unberechenbare Risiken aufgrund von Veränderungen in der Rechtsgrundlage (lokal wie auch im Ausland) ergeben. Beispielhaft sind hier veränderte Regulierungsvorgaben zu nennen oder die Neuinterpretation bestehender Gesetze. Speziell bei längeren Projektlaufzeiten ergeben sich unabsehbare Risiken für das Projekt respektive für dessen Finanzierung. Eine hundertprozentige Absicherung gibt es nicht, und Totalausfälle sind möglich.

    Eine entsprechende Dynamik im Sanktionsrecht (beispielsweise Embargos, Dual use Goods) ist aufgrund der Globalisierung zu verzeichnen und bedarf der stetigen Beobachtung.

    Auch Werkverträge beziehungsweise die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) können solche Risiken bergen. So ist es bei internationalen Bauprojekten unter anderem möglich, auf alternative und standardisierte Vertragsregelungen wie die des Dachverbandes beratender Ingenieure "Fédération Internationale des Ingénieurs Conseils (FiDIC)", zurückzugreifen. Schließlich sollten Verträge in einer Weltsprache abgefasst und das anzuwendende Recht als auch der Gerichtstand verbindlich festgelegt werden. Darüber hinaus sind Vertragsgegenstand, Zahlungs-/Lieferbedingungen sowie Gewährleistungsregelungen eindeutig zu definieren.

    Zusammenfassend ist auf rechtliche Risiken aufgrund ihrer Vielfältigkeit und eines möglichen Totalausfalles, gerade im internationalen Bereich, sowie der hohen Anforderungen an Aktualisierung besonders zu achten und entsprechend im Risikomanagement einzustufen.

    Steuerliche Risiken: Besonderes Augenmerk liegt auf fiskalpolitischen Vorgaben. Diese unterliegen wie die rechtlichen Risiken einer Dynamik in der Ausprägung ihrer Auswirkung. Eine weltweite Verschärfung der gesetzlichen Rahmenbedingungen und die Erhöhung investigativer Maßnahmen seitens der Behörden sind festzustellen. In vielen Ländern ist die Erhebung einer Versicherungssteuer üblich. Ein wichtiges Kriterium ist dabei die Risikobelegenheit, deren Definition auf der Gesetzgebung der jeweiligen Länder basiert. Gerade bei internationalen Projekten sind die Risiken vielfältig, deren Absicherung durch unter anderem Bauleistungs- oder Montageversicherung erfolgt. Lösungsvarianten sind beispielsweise lokale Deckungen, Fronting Policen, FoS (Freedom of Service), Masterverträge, Difference in Conditions/in Limits (DIC/DIL), "Non-Admitted" Deckungen sowie "Financial Interest Cover (FInC)"-Lösungen.

    Die größte Herausforderung ist die Identifikation von Risiken, um "blinde Flecke" soweit als möglich zu reduzieren beziehungsweise zu vermeiden. Eines der Kernelemente liegt auf der prozessualen Ausgestaltung eines umfassenden "Tax-Risk-Management-Systems" mit Festlegung einer Risikostrategie und Implementierung einer analogen "Risk Policy" und Überwachungsfunktion.

    Allgemein ist im Versicherungsgeschäft der Versicherungsnehmer für die korrekte Abführung der Versicherungssteuerschuld verantwortlich. Ein Merkmal, um compliant zu sein, ist bei der steuerlichen Bewertung im Projektgeschäft jeweils die Risikobelegenheit beziehungsweise das Territorialprinzip. Hier sind entsprechende Landesgesetzgebungen maßgebend und zu beachten. Beispielhaft wird exemplarisch das Urteil II R 53/11 vom 11.12.2013 des Bundesfinanzhofes (BFH) herangezogen. Zusammenfassend wurde geregelt, dass im Fall einer Projektversicherung die steuerliche Betrachtung des Deckungsbausteins Maintenance/Garantie jeweils in dem Land gegeben ist, in welchem das Gerät/die Anlage steht und final betrieben wird. Die Konsequenzen daraus sind im Bereich der Projektversicherung vielfältig und stellen alle Beteiligte vor enorme Herausforderungen.

    Risiken aus Pflichtversicherungen: Nationale Gesetzgebungen sehen für bestimmte Deckungen lokale Zwangs- beziehungsweise Monopolversicherungen vor, beispielsweise Elementargefahren- und Terrorismusdeckung, wobei nicht generelle Erst- und Rückversicherungsausschlüsse (unter anderem Krieg, Kernenergie) betrachtet werden. Da diese einer Dynamik unterliegen, stellen die folgenden Beispiele nur eine aktuelle Bestandsaufnahme dar und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Projektbezogene Verifizierung ist erforderlich.

    Beispiele Belgien & Frankreich: Terror bzw. Haftpflichtansprüche Dritter, zusätzlich in Frankreich Catastrophes Naturelles; Dänemark: Sturmflut; Großbritannien: Terror; Norwegen: Elementargefahren; Spanien: Consorcio und (außerhalb der EU) Südafrika/Namibia: Political Riot oder USA: Terror usw.

    Neben den bisher ausgeführten länderspezifischen Vorgaben sind lokal weitere Besonderheiten (beispielsweise "Cash Before Cover" in Mexiko oder Indien) vorhanden. Auch hierdurch können Fehler beziehungsweise Risiken entstehen.
    Risiken aus exportierten Deckungserweiterungen: Aufgrund deutscher Gegebenheiten werden in der Projektversicherung häufig unter anderem der Bauherr sowie alle am Bau beteiligten Unternehmen pauschal mitversichert. Dies ist aus deutscher Sicht und entsprechendem rechtlichen Rahmen (BGB, VOB) sehr sinnvoll, um Herausforderungen aufgrund möglicher Abgrenzungen zu minimieren. Doch dieses Verständnis kann in anderen Ländern zu Problemen führen. Zu nennen sind hier beispielhaft in Frankreich die "Assurance Décennale" (Bauunternehmer, Ingenieure, Architekten, Gutachter, Lieferanten von Baustoffen) sowie "Assurance Dommages-Ouvrages" (Bauherr) als Pflichtversicherungen zu nennen sind.
    Im Rahmen der europäischen Dienstleistungsfreiheit sind lokal bestehende Besonderheiten und unterschiedliche Regelungen, die extreme rechtliche Konsequenzen haben und sich so stark auf die Unternehmung auswirken können, zu beachten. Reputationsverluste sind ebenfalls vorstellbar.

    Ergänzend ist in der überwiegenden Anzahl von projektbezogenen Versicherungsverträgen die Deckungserweiterung "Umgebendes Eigentum / Surrounding Property" zu finden. Da sie eine Art Haftpflichtdeckung für lokal befindliche Güter darstellt, ist dieser Teil der Deckung als lokale Risikobelegenheit anzusehen. Die sich hieraus ergebenden rechtlichen und steuerrechtlichen Aspekte sind im Einzelfall zu verifizieren. Inwieweit andere Deckungserweiterungen im jeweiligen Rechtsraum zu betrachten sind, bedarf einer umfassenden Prüfung.

    Risikofaktor Mensch: Rund 90 Prozent der Schadenursachen im internationalen Projektversicherungsgeschäft sind auf menschliches Fehlverhalten zurückzuführen. Die Auswirkungen können von gering bis katastrophal eingestuft werden. Die finanzielle Absicherung über Versicherungslösungen ist üblich. Auch Personenschäden oder mangelnde Qualität kann zu Verzögerungen führen, die nicht bzw. nur teilweise versicherbar sind und ferner im Extremfall zu nicht kompensier baren Reputationsverlusten führen. Daher sind Maßnahmen zu ergreifen um Risikofaktoren, die vom Menschen ausgehen, zu minimieren. Dazu kann es beispielsweise sinnvoll sein, in Projekten mit besonderen klimatischen Gegebenheiten, die Arbeitszeiten anzupassen oder einfach den Arbeitern Wasser kostenlos zur Verfügung zu stellen.

    Fazit

    Risiken sind bei internationalen Projekten mannigfaltig und ihre möglichen Auswirkungen können bisweilen katastrophale Ausmaße annehmen. Die vollständige Risikovermeidung ist nicht möglich, wohl aber die Minimierung durch ein umfangreiches und unternehmensweites Risikomanagement. Aufgrund der Komplexität sind die am Markt üblichen Konzepte grundlegend zu validieren und anzupassen, um auch hier eine entsprechende Risikominimierung zu erreichen. Insbesondere bei projektbezogenen Arbeitsgemeinschaften sind einheitliche Bewertungen vorzunehmen. Daher wird empfohlen, ein projektbezogenes umfassendes Risikomanagement zu installieren.

 

 Autorenhinweis

Roland Gerds

Der Text basiert auf einer Abschlussarbeit des Autors im Weiterbildungsprogramm "Enterprise Risk Manager (Univ.)", das vom Forschungszentrum Risikomanagement der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Würzburg angeboten wird.

Bild des Benutzers Svenja Pohl
Kuratiert
am 15.07.2016 von
Svenja Pohl

Roland Gerds führt in seiner Kolumne unterschiedliche Risikobereiche, deren Auswirkungen und die darauf möglichen Reaktionen auf.